Donnerstag, 14. Juni 2012

Der zerplatzte Traum

Im Juli 1963 veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen vielbeachteten Artikel über das Bernsteinzimmer, welcher eine Reihe von Reaktionen von Zeitzeugen in Form von Leserbriefen zur Folge hatte.

Aus der Serie "Leserbriefe zum Bernsteinzimmer" veröffentlicht die Südthüringer Jonastal Gesellschaft für Bernsteinzimmerforschung (STJGFB) an dieser Stelle exclusiv die Reaktion des Gustav Adolf Richter vom 5.8.1963.


Mit Sicherheit vernichtet

Den Aufsatz “Das verschollene Bernsteinzimmer” (F.A.Z. vom 18. Juli) habe ich mit besonderem Interesse gelesen. Ich selbst bin im Juni 1945 mit Dr. Alfred Rohde zusammengetroffen, der damals im Auftrag der Russen im Gebaeude des Staatsarchivs Koenigsberg – eines der wenigen noch erhaltenen Gebaeude der Stadt – aus demTruemmerfeld der Stadt zusammengetragene Kunstgegenstaende sichtete. Bei dieser Gelegenheit erzaehlte mir Dr. Rohde auf meine diesbezuegliche Frage, wonach die Kunstsammlungen der Stadt Koenigsberg, darunter der bedeutende Bestand an Oelbildern Lovis Corinths, die auf einem Schloss (meiner Erinnerung nach im Ermland gelegen) ausgelagert gewesen seien, durch Brandschatzungen des russischenMilitaers voellig vernichtet worden seien. In diesem Zusammenhang erwaehnte er auch das besagte Bernsteinzimmer, das das gleiche Schicksal erlitten habe. Aus der Formulierung der Mitteilungen Dr. Rohdes muss ich schliessen, dass er damals mit Sicherheit wusste, dass das Zimmer vernichtet war. Dass, wie es in dem F.A.Z.-Aufsatz heisst, Dr. Rohde brieflich erklaert habe, die das Bernsteinzimmer aufbewahrenden Kisten haetten sich noch am 5. April 1945 auf Schloss Wildenhoff, also weit in der Provinz, befunden, ist voellig unwahrscheinlich. Denn Koenigsberg fiel am 9. April 1945. Am 7. April begannen die Strassenkaempfe, und seit Wochen war die Stadt fest eingeschlossen und von dem uebrigen Ostpreussen, jedenfalls soweit es suedlich der Stadtgrenze begann, gaenzlich abgeschnitten.

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