1710 - 1910
Zarskoje Sselo
VON
S. v. Wiltschkowski
Gedruckt auf Befehl des Chefs der Palaisverwaltung von
Zarskoje Sselo
Auf den Gemäldesaal folgt das „Bernsteinzimmer“. Mit diesem
beginnt die „Hälfte der Kaiserin Maria Feodorowna“.
Das Bernsteinzimmer besitzt drei Fenster, die bis zur Diele
reichen; es liegt zum Schloßplatz hin und hat doppeltes Licht. Die Wände sind
mit Bernstein bekleidet; an den Zwischenwänden befinden sich Spiegel, die bis
zur Diele reichen; sie sind von vergoldeten Stuckrahmen im Rokokostil umgeben;
an den Wänden sind vergoldete Stuckleuchter in demselben Stile. Die Plafond
stammt von einem unbekannten Künstler des 18. Jahrhunderts. In der Mitte des
Zimmers erhebt sich das Modell des Berliner Denkmals des preußischen Königs
Friedrichs des Großen. Die Möbel sind weiß, leicht vergoldet und mit gelben
Stoff bezogen. Bei den Fenstern stehen in Vitrinen kleine Bernsteinsachen :
Schachfiguren, kleine Schatullen, Tabakdosen und anderes. Die Uhr ist aus
Bronze, sie stellt einen Baum mit Aesten dar, an denen Blätter und Blüten aus
Porzellan sind; unter ihm steht eine Gruppe aus vergoldeter Bronze, von Causard
in Paris in der Mitte des 18. Jahrhunderts gearbeitet.
In die glatten Bernsteinwände sind in reich geschnitzten
Bernsteinrahmen vier Mosaiklandschaften eingelegt, sie stellen allegorisch die
fünft Sinne des Menschen dar. An der Wand, die zu dem Gemäldesaale hin liegt,
finden sich zwei Jahreszahlen, 1709 und 1760, in Bernsteineinlage. Auf
Bestellung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. (?) fertigte der
Bernsteinmeister Gottfried Turau das Bernsteinkabinett an. Während seiner
Zusammenkunft mit dem Könige bat Peter sich ziemlich ungeniert das Kabinett aus
160), das sich damals im Berliner Schloß Monbijou befand, wo Peter
wohnte. Der König schenkte das Kabinett dem Zaren, der es mit einem Brief aus
Amsterdamm vom 7. Januar 1717 161) aus Berlin nach Memel bringen
ließ; dort empfing der Oberhofmeister der Herzogin von Kurland Anna Joannowna,
Bestushew, das kostbare Kabinett und schickte es unter mitlitärischer Bedeckung
über Riga nach Petersburg. Hier blieb es anscheinend unbenutzt bis 1755 liegen,
bis der Bernsteinmeister Martelli, der ein Zimmer des Winterpalais mit
Bernstein zu schmücken begonnen hatte, den Befehl erhielt, seine Arbeit
einzustellen, den Bernstein zu sammeln und damit das Kabinett aus Zarskoje
Sselo auszustatten. Im Jahre 1830 erfolgte auf Vorstellung des Generals
Sacharshewski die Allerhöchste Erlaubnis, das Bernsteinzimmer durch den
Drechslermeister Esch ausbessern zu lassen. Im Jahre 1911 sind die
Bernsteinsachen, die in den Vitrinen stehen, durch die Firma Moritz Stumpf
& Sohn in Danzig restauriert worden.
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